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Bericht Metalcamp 2008 einleitung | 1 | 2 | 3 | 5 | 6 | 7
Sonntag, 06.07.2008
Hell Over Paradise
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Auch heute ist es morgens wieder unerträglich heiß. Unsere Truppe teilt sich auf: Ein Teil geht Kajakfahren, der andere Teil geht schwimmen. Der schwimmende Teil macht sich auf zu neuen Ufern, da weder unsere schöne Strandmuschel noch die Stromschnellen vom letzten Jahr noch existieren und wir suchen uns eine neue Stelle flußaufwärts Richtung Kobarid. Hier kann man schön im Schatten auf einer Wiese liegen und lesen. Das Wasser ist abartig kalt, dafür gibt es hier Stromschnellen. Wirklich lange halten wir es jedoch nicht im Wasser aus.
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Auch ein schöner Freizeitspass auf dem Metalcamp ist das Kajakfahren. Bei einer Fahrt entlang der Soca sieht man überall Schilder die auf Anbieter hinweisen.
Wir entschieden uns, durch gute Erfahrungen der Wiederholungstäter angespornt zum lokalen Anbieter Maya.
Mit einem Kleinbus ging's dann los und die Fahrt dauerte ca. eine halbe Stunde.
Etwas exhibitionistisch sollte man schon veranlagt sein, da man sich auf einer Strasse umziehen muss. Der von den erfahrenen Guides bevorzugte Flussabschnitt hat eine eher mäßige Strömung vorzuweisen. Von daher ist es kein Problem, auch für kajakunerfahrene Menschen, das Ding den Fluss runterzukriegen.
Eine kleine Voraussetzung sollte man jedoch erfüllen; nämlich einen gewissen Gleichgewichtssinn zu besitzen.
Der eigentliche Wasserspaß beginnt mit einer kleinen aber feinen Einweisung. Wenn man zu verstehen gibt, man hätte alles verstanden wird man mit dem Kajak einmal zwangsgekentert um den Ausstieg zu üben. Darauf folgt eine kleine Passage (1. Mal gekentert), leichte Übungen zum Einfahren in stärkere Strömung und zum wieder Rauskommen (2. Mal gekentert).
Nach jedem Kentern muss man sein Boot an Land ziehen und entleeren, was nach geschätztem 10maligen kentern langsam an die Substanz geht. Am Schluss der Tour darf man, wenn man möchte, mit seinem Kajak noch von einem Felsen ins Wasser hüpfen, was aber keine Pflicht ist.
Im Großen und Ganzen ist das Kajakangebot von Maja auch für eher unsportliche Touristen geeignet wenn man gewillt ist den halben Tag mit dem Kopf unter Wasser zu verbringen. Die Guides sind sehr hilfsbereit und geduldig.
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In der Zwischenzeit habe ich mich von der Schwimmergruppe abgesetzt um mir als erste Band des heutigen Tages die Schweden Evergrey anzusehen. Diese werden seit letztem Jahr von Ex-Stratovarius-Bassist Jari Kainulainen unterstützt, was mir jedoch irgendwie heute erst wirklich bewußt wird. Die Songauswahl ist heuer etwas seltsam bzw. ich merke, daß ich Evergrey irgendwie in den letzten Jahren aus den Augen verloren habe, denn ich kenne nur einen kleinen Teil der Songs. Die Band kommt ca. 10 min zu spät auf die Bühne, wofür sich Sänger Tom S. Englund auch wortreich entschuldigt. Er erzählt, daß sie unterwegs im Stau standen, gerade erst angekommen und quasi aus dem Bus auf die Bühne gesprungen sind. Dem Sänger sieht man das auch an, er kommt schon klatschnaß geschwitzt auf die Bühne. Das Ganze hat ihn offenbar so aufgeregt, daß er schließlich nur noch stottert (worüber sich seine Mitmusiker köstlich amüsieren) und Blinded dann nur mit einem zurechtgestammelten „This is a great song“ ankündigt. Neben Broken Wings wird noch ein weiterer neuer Song vorstellt. Danach fragt Englund gleich: „Did you like it? Yes? No? We do it anyway, no matter what you think!“ Nun, die neuen Sachen sind nicht besonders überraschend, sie klingen eben typisch nach Evergrey ohne großartige Neuerungen. Die Stimmung ist im größten Teil des Publikums auch eher verhalten, nur weiter vorne gehen die Fans richtig ab. Anschließend gibt es dann mit Recreation Day noch einen bekannten Song, bevor die Show mit A Touch Of Blessing ihren Höhepunkt und auch ihr Ende erreicht. Von Evergrey war das eher eine durchschnittliche Show, ich habe die Band schon viel besser erlebt.
Doch offensichtlich können die Schweden nicht nur mit musikalischen Fähigkeiten begeistern, denn als die fanfreundlichen Jungs entschließen, daß es doch ganz cool wäre, mit den Fans ein paar Bierchen zu trinken und Richtung Backstageausgang schlendern, stimmt eine ganze Armada leichtbekleideter Mädchen ein Gekreisch an, wie man es hierzulande nur von Boybands kennt
sehr, sehr seltsam. Autogramme und Fotos haben sie dann aber doch bekommen ohne über die Musiker herzufallen.
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Direkt im Anschluß spielen die Deutschen Brainstorm, die sich von Anfang an souverän geben; Fronter Andy B. Franck hat die Menge sofort im Griff. Mit Falling Spiral Down startet man mit einem verdammt starken Song vom aktuellen Album Downburst. Aber Brainstorm sind auch keine Band, die sich die starken Songs zum Schluß aufheben muß – man hat einfach so viele davon. Bei Words Are Coming Through gewährt man dem Publikum eine kleine Verschnaufpause, bevor sich das Tempo mit Shiva’s Tears wieder steigert und in Fire Walk With Me endet. Die einzelnen Bandmitglieder posen um die Wette, der Schweiß rinnt in Strömen und der Sänger wird übermütig, startet dubiose Mitsingspielchen und endet hechelnd auf der Monitorbox. Die Hitze nimmt einen schon ganz schön mit. Dafür gibt’s dann zur Entspannung End In Sorrow und mit All Those Words und How Do You Feel? endet der Auftritt im Midtempo. Über Brainstorm muß man eigentlich nicht mehr viele Worte verlieren. Die Band wirkt sehr routiniert und professionell, vergißt dabei aber trotzdem nicht den Spaß. Zu Beginn sind zwar enttäuschend wenig Zuschauer anwesend, noch weniger als bei Evergrey, aber die Deutschen beweisen einmal mehr ihre Qualitäten, so daß gegen Ende des Auftritts doch wesentlich mehr Leute vor der Bühne standen. Trotzdem ist es schade, daß es nicht mehr waren, denn wer nicht da war, hat einen tollen Auftritt verpaßt.
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Ganz anders bei den finnischen Humppa-Metallern Korpiklaani. Die können sich nämlich vor Zuschauern kaum retten. Spielte man im letzten Jahr noch auf der kleinen Waldbühne vor einem überfüllten Platz (die Leute saßen sogar in den Bäumen), so schafft man es in diesem Jahr locker, auch den Raum vor der großen Bühne zu füllen. Die Finnen sind in Slowenien einfach angesagt. In der Setlist geht man aber trotzdem auf Nummer Sicher und haut hauptsächlich fröhliche, allseits bekannte Mitsinghymnen wie Wooden Pints und Korpiklaani raus. Die einzige Überraschung des Auftritts liefert Sänger Jonne, der mit neuer Frisur erscheint. Doch Vorsicht! Auf Kritik daran reagiert der Mann ziemlich weinerlich. Hehe... Aber egal.
Weiter geht es mit Cottages And Saunas und die Menge vor der Bühne tobt und auch die dargebotenen Instrumentals werden abgefeiert. Bei Journey Man steigt die Stimmung immer weiter, bis sie bei Happy Little Boozer ihren Höhepunkt erreicht. Leider ist hier jedoch schon Schluß. Die Finnen hätten sicher noch eine ganze Weile weiterspielen können, ohne daß das Publikum müde geworden wäre. Ein schöner Korpiklaani-Auftritt ohne große Besonderheiten, gut wie immer, allerdings dürfte der ein oder andere Beer Beer vermisst haben. Und der Sound war, untypisch für das Metalcamp, gar nicht mal so toll.
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Angesichts der Tatsache, daß heute noch eine Menge interessanter Bands spielen und das Essensangebot auf dem Gelände nicht gerade umwerfend ist, beschließe ich, Behemoth zu opfern und zurück zu den Zelten zu gehen. Als ich gerade beim Essen bin, kehren auch die Kajakfahrer zurück, die von ihren Abenteuern berichten. Beim gemeinsamen Essen fällt auf einmal eine schwarze Wand auf, die auf uns zukommt. Schon wieder Regen! Naja
das sind wir mittlerweile ja gewohnt und zum Glück sitzen wir unter den schützenden Pavillons.
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Denkste! Denn der Wind weht immer heftiger und wir beschließen, daß es besser wäre, wenn wir die Pavillons festhalten. Ich will noch schnell meine Regenjacke anziehen, da reißt mir eine heftige Bö den Pavillon aus der Hand. Also nix Regenjacke. Zu Fünft klammern wir uns an drei Pavillons, doch alle Mühe ist vergebens. Der Wind knickt die Stangen wie Streichhölzer und wir müssen aufpassen, daß wir keine abkriegen. Um uns und die Autos zu schützen, bauen wir die Pavillonreste im strömenden Regen schnell ab. Unter dem Festivalmotto Hell Over Paradise haben wir uns irgendwie etwas anderes vorgestellt.
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Mittlerweile sind wir naß bis auf die Knochen. Aus Richtung Bühne ist es verdächtig ruhig und bald taucht auch der Rest der Truppe auf. Der Auftritt der Polen mußte abgebrochen werden. Damit steht es in der Begegnung Behemoth gegen Gott 0:1, aber immerhin sind Behemoth die Europameister der Herzen. Als der Sturm endlich abebbt kommen wir auf die glorreiche Idee „Aus drei mach zwei“. Also werden die einzelnen Stangen der Pavillons erstmal sortiert in brauchbar und unbrauchbar. Die Ernüchterung folgt jedoch auf dem Fuß. Die sprichwörtliche deutsche Genauigkeit, die sich in tausenden von mehr oder weniger sinnvollen Normen ausdrückt, greift offenbar nicht für Pavillons.
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Alle drei Pavillons haben jeweils unterschiedliche Abmessungen. Wir starten daher ein neues Projekt: „3D-Puzzlen für Fortgeschrittene“. Die Stangen müssen erstmal nach Pavillons sortiert werden, dann müssen fehlende Stangen durch die des geopferten Pavillons ersetzt werden und nach einer guten Stunde stehen tatsächlich wieder zwei Pavillons auf unserem Platz. Die ersten Leichenfledderer sind auch schon unterwegs und erbetteln sich unsere ausrangierten Stangen – zum schienen der eigenen sturmgebeutelten Pavillons und Zelte.
Es ist jetzt bitterkalt und jeder zieht sich erstmal warm und trocken an. Ein Kumpel war mal nachfragen, wie es jetzt weitergeht, da auf der Hauptbühne alles zum Stillstand gekommen ist. Dort ist erstmal Schadensbegrenzung und –behebung angesagt. Als er zurück kommt, teilt er uns mit, daß auf der kleinen Bühne das Programm weitergeht. Da diese geschützt im Wald liegt, hat sie nichts abbekommen.
Wir müssen uns also schnell auf die Socken machen, wenn wir Skyforger noch sehen wollen. Wir sehen sie sogar noch – mehr aber auch nicht. „We are Skyforger from Latvia. Thank you for beeing here! Good night!“ Satz mit X, war wohl nix
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Immerhin wird jetzt eine neue Running Order ausgegeben. Außer Behemoth werden noch alle Bands der Hauptbühne spielen, allerdings verschieben sich die Auftrittszeiten um 3,5 Stunden nach hinten. Opeth werden auf die Waldbühne verlegt.
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Die erste Band, die wieder auf der Hauptbühne spielt, ist dann Helloween. Auch hier wartet wieder eine Überraschung auf uns. Das heißt: auf die Fotografen. Denn nach dem großen Gewitter am frühen Abend geht irgendwie jeder davon aus, daß es das jetzt gewesen ist. Wir lernen, daß dem nicht so ist. Denn pünktlich zu March Of Time, dem zweiten Song, kommt von einer Sekunde auf die nächste ein Platzregen vom Himmel, der es in sich hat. Da niemand seine Kamera vor Regen geschützt hat, fliehen die Fotografen im Laufschritt auf die Backstageveranda, wo wir erstmal unsere Kameras trockenlegen. Von dem Geschehen auf der Bühne bekommt man hier nicht viel mit. Dafür aber das Gespräch zwischen Mitgliedern der Bands Evergrey und Korpiklaani, die sich darüber streiten ob jetzt schwedisch oder finnisch die beste Sprache der Welt sei. Wie auch immer, zu Fly bin ich dann auch wieder vor der Bühne und ein freundlicher Schreiberkollege teilt mir mit, daß in der Zwischenzeit As Long As I Fall, Eagle Fly Free und A Tale That Wasn’t Right gespielt wurden. Die Zuschauer haben sich wegen dem Platzregen genau wie die Fotografen verflüchtigt, so daß Helloween undankbarerweise vor einem eher leeren Platz spielen. Gegen Ende des Auftritts finden sich jedoch immer mehr Fans vor der Bühne wieder, die mit der Band Songs wie Dr. Steel abfeiern. Zu Perfect Gentleman, das Andi Deris im schnieken Glitzerjackett und mit Zylinder vorträgt, werden auf der Bühne die obligatorischen riesigen Kürbisse aufgeblasen, die ein wirklich beeindruckendes Bühnenbild ergeben. Weniger beeindruckend ist einmal mehr die Gesangsleistung von Andi Deris, der an die hohen Töne einfach nicht rankommt. Glücklicherweise läßt er jedoch die hohen Parts bei Future World einfach von den Zuschauern singen. Dann fällt’s nicht ganz so auf. Und zur Belohnung kickt er dann kleine aufblasbare Kürbisse ins Publikum. Auch die Schlußnummer I Want Out ist zwar musikalisch top, der Gesang ist jedoch eher bescheiden. Das merkt man auch über den gesamten Auftritt hinweg. Sound und Instrumentalisten sind spitze, nur der Sänger fällt ziemlich ab. Den Fans hat es aber trotzdem gefallen und eine beeindruckende Show war es allemal. Öfter muß ich Helloween aber auch nicht haben.
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Opeth sehe ich mir zwar an, aufgrund meiner Müdigkeit kriege ich aber nicht wirklich was mit. Und da Opeth jetzt ja nicht soo die Rumpelkapelle sind, werde ich von ihrer Musik auch nicht wirklich wacher. Ich weiß, daß Heir Apparent, Demon Of The Fall und To Rid The Desease gespielt wurden. Das war’s dann aber auch schon. Ich kann also nicht wirklich was zu dem Auftritt sagen. Er hat mir zwar ganz gut gefallen, aber ich war einfach zu müde. Kurz vorm Ende gehe ich dann rüber zur Hauptbühne, um mir Ministry anzusehen. Mittlerweile ist es 2:15.
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Durch die vom Sturm verursachten Verschiebungen überschneiden sich jetzt Ministry und Marduk. Ich entscheide mich zugunsten der Amerikaner, da dies die letzte Chance ist, die Band live zu sehen, während es Marduk wohl noch ein paar Jährchen geben wird.
Wenn nachts um 3 eine Gestalt auf die Bühne tattert, als wäre sie der Vater von Ozzy Osbourne, kann es sich nur um Einen handeln. Somit verschob Al Jourgensen seinen Vorruhestand noch um einen weiteren Tag und rockte noch einmal mit Ministry das beschauliche Tolmin.
Trotz der minimalen Zeitdifferenz von 3,5 Stunden, die sie regenbedingt später anfingen, waren nur noch ein paar wenige Gestalten auf um mitzufeiern. Was vielleicht auch darin bedingt lag, dass parallel dazu Marduk spielten. Zum Besten gegeben wurden Stücke fast aller Ministry-Platten mit Industrial-Edelwerkstücken wie The Dick Song, The Last Sucker, No W, Let's go , gegen Ende dann mein persönlicher Favorit Lieslieslies und viele mehr. Die Mischung war bunt und alte und junge Stücke verlebten zusammen eine wenig geruhsame, dafür umso lautere Nacht. Auf den Leinwänden zur Rechten und Linken der Bühne wurden dazu Videos und Antikriegsbotschaften gespielt. Nicht zu kurz kam dabei auch Al Jourgensens persönlicher Lieblingsantagonist George W. Bush. So vergingen die 1,5 Stunden wie im Fluge und selig konnte man sich wieder auf den Campingplatz begeben.
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Bericht: Hypnos, Tyr
Photos: Maya Sportni Turizem, Tyr
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