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Bericht Metalcamp 2008 einleitung | 1 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7
Freitag, 04.07.2008
Join The Love Boat!
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Morgens um 8:00 Uhr treibt mich die Hitze aus dem Zelt. Aber immerhin eine Stunde länger durchgehalten als letztes Jahr. Den Morgen vertreiben wir uns mit einkaufen, Fotopaß und Bändchen abholen und natürlich faulenzen.
Um 14:00 Uhr machen wir uns alle auf den Weg zu Maya . Heute ist Rafting angesagt. Nachdem alle ihre Schutzkleidung haben geht es los zur Soca. Dort quetscht sich zunächst jeder in seinen Neopren, seine Jacke und seine Schwimmweste. Presswurstalarm! Nach einigen längeren Instruktionen und kurzem Üben geht es los. Mit vier Booten (zwei werden von uns besetzt, die anderen beiden von verrückten Slowenen mittleren Alters) fahren wir durch die Stromschnellen der Soca, die in den meisten Fällen nur halb so wild sind, wie sie aussehen. So kann man den Tag genießen. Das Wasser ist glasklar und man kann immer bis zum Grund sehen. Es ist herrlich kalt und erfrischt angenehm beim Paddeln. Oder wenn man von seinem Guide reingeworfen wird. Oder wenn man hineinrutscht. Auf halber Strecke wird Pause gemacht und eines der Boote kurzerhand zur Rutschbahn von einem Felsen ins kalte Naß umfunktioniert. Anschließend soll es ein Rennen der Boote geben und dazu braucht jedes Boot einen Namen. Da in unserem Boot ausschließlich Paare sitzen, wird es spontan reichlich unmetallisch auf Love Boat getauft. Ist das nicht romantisch?
Schneller werden wir durch den tollen Namen nicht, dafür dürfen wir aber als einzige Bootsbesatzung die letzten 100 m schwimmend zurücklegen. Die Boote müssen wir dann noch zur Straße schleppen, wobei Männer merken, daß groß sein nicht nur Vorteile hat. Nachdem alles sicher verstaut ist und wir umgezogen sind, geht es im Bus zurück. Wir sind ziemlich spät dran, aber die Leute von Maya sind ja nett und lassen die Leute, die Wintersun sehen wollen, am Campingplatz aussteigen. Jetzt müssen wir uns aber spurten, damit wir unsere erste Band nicht verpassen.
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Ganz schaffen wir es nicht, und als wir auf dem autofreien Campingplatz sind, erklingen gerade die ersten Töne von Winter Madness. Doch als Wintersun Sleeping Stars anstimmen sind wir schon vor Ort und können ordentlich mitfeiern. Nach fast 2 Jahren Abstinenz kann man die Finnen endlich wieder live bewundern. Und natürlich fragt man sich, ob wohl das ein oder andere neue Stück vorgestellt wird, immerhin basteln die Mannen um Jari Mäenpää ja schon lange genug am Zweitlingswerk. Bei Battle Against Time kann man etwas entspannen (für Wintersun-Verhältnisse, versteht sich), bevor bei Death And The Healing und Beautiful Death wieder der Nacken gequält wird. Vom Sänger erfahren wir jetzt jedoch, daß man kein neues Stück spielen wird, aber er verspricht uns, daß das neue Album ganz sicher irgendwann erscheinen wird. Na dann sind wir ja beruhigt – kann sich ja nur noch um Jahre handeln. Dafür gibt’s dann jetzt ein Drumsolo vom überragenden Kai Hahto und anschließend doch noch ein paar gejamte Ausblicke auf’s neue Album, die in Priests Painkiller übergehen. Auch mal schön. Weniger schön ist, daß jetzt das einsetzt, was uns über das ganze Festival hinweg begleiten wird: Regen! Noch ist er jedoch ziemlich erträglich. Das 8-minütige Starchild markiert dann den Höhe- und Schlußpunkt des Konzerts, das viel zu schnell vorbei ist. Dank Regen harrt auch kaum jemand vor der Bühne aus und auch wir trollen uns wieder Richtung Zelt, denn nach dem Rafting am Nachmittag ist jetzt erstmal Nahrungsaufnahme angesagt
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Entgegen den Antikriegsbezeugungen auf ihrem Merchandising hatten sich Bill Steer und seine Mannen rund um den Ausnahmegitarristen Michael Amott (der ebenso wie Drummer Daniel Erlandsson gleich mit 2 Bands auf diesem Festival vertreten war) wohl vorgenommen, an diesem Abend keine Gefangenen zu nehmen. Mit dem Sonnenuntergang schlugen Carcass los und bannten etliche Fans vor der Bühne. Es gab keine Vorwarnung und kein Erbarmen, wie man es von diesen Death Metal-Veteranen auch nicht anders erwartete. 14 Lieder lang war man gefangen in der Hand dieser vortrefflichen Chirurgen. Präzise ging jeder Schnitt unter die Haut. Serviert wurde das Beste aus der kreativen Schaffensphase des Teams. Vornehmlich aus der Heartwork-Ära kamen Stücke wie Buried Dreams, Carnal Fire, No Love Lost, ein kleines Medley dreier weiterer Songs und schlussendlich natürlich auch Heartwork selbst. Aber auch von anderen Tabletts wurde Krankenhaus-Feinkost wie Inpropagation, Corporal Jigsore Quandary, Symphonies Of Sickness, Keep On Rotting In The Free World und R**k The Vote kredenzt. Ein wenig Luft zum Atmen blieb, als Daniel Erlandsson den Drumhocker räumte und Ken Owen sein Drumsolo spielte
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Die Metalgötter sind In Flames nicht gewogen. Als die Schweden die Bühne betreten, gießt es wie aus Eimern. Niemand darf in den Graben, denn es sind viele Pyros angekündigt. Bei dem Regen ist auch kaum jemand traurig deswegen. Und In Flames machen ihrem Namen alle Ehre. Sie fahren die genialste Pyroshow des gesamten Festivals auf! Gleich zu Beginn schießen mehrere Raketen waagerecht knapp über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Sieht schon von vorne sehr genial aus, von hinten war es wahrscheinlich noch viel beeindruckender. Unter Funkenregen und pausenlosen Flammenstößen startet man mit Cloud Connected, das sich als Opener wirklich gut macht, so daß von Anfang an Stimmung ist. Mit The Mirror’s Truth und Trigger gibt’s erstmal wieder neueres Material, bevor mit Colony auch die „alten“ Fans bedient werden. Nach Disconnected unterbricht die Band die unablässig feuernde Pyroshow kurz, so daß die Fotografen für einen einzigen Song in den Graben dürfen (und genau da regnet es zum Glück mal nicht). Und je näher man an der Band ist, desto mehr spürt man die Power, die von ihr und besonders ihrem Frontmann Anders Fridén ausgeht. Nicht so bei der Technik. Der geht die Power nämlich nach den ersten Takten von Delight And Angers flöten und die PA gibt den Geist auf, was natürlich für johlenden Applaus sorgt. Anders Fridén ist mal wieder in der Position, das Publikum während technischer Probleme unterhalten zu müssen und die Band übt sich derweil in einem akustisch dargebotenen Guns ’n’ Roses-Cover. Öfter mal was neues
Doch das Problem kann recht schnell gelöst werden, die Band nimmt’s mit Humor („You are only a real Rockband when you’ve killed the PA!“) und so geht es fulminant mit Alias weiter, bevor man mit Only For The Weak dem Höhepunkt der Show zustrebt. Das gewohnt zurückhaltende Metalcamp-Publikum hat am ersten Tag noch viel Kraft, und so bewegt man sich denn auch mal trotz des Regens ausgiebig zur Musik. Und für die älteren Fans folgt der nächste Höhepunkt auf dem Fuß: The Jester Race. Mit I’m The Highway kehrt man zurück zum neuesten Output und mit Come Clarity und The Quiet Place, das live noch viel besser als auf Platte ist, bleibt man auf dieser Schiene. Man bleibt bei den neuen Songs, doch eigentlich gilt für alle das gleiche wie für The Quiet Place. Live haben die Stücke einfach eine Power, die den Platten leider etwas fehlt. Bei Songs wie Move Through Me und Take This Live (laut Anders Fridén das beste Lied, das eine Boyband je geschrieben hat) muß man einfach mitbangen. Und daß In Flames trotz ihres Erfolges nicht zu Rockdiven geworden sind, zeigt wieder einmal Anders Fridén, der sich überschwänglich beim Publikum bedankt, bevor er mit My Sweet Shadow den letzten Song ansagt. Und der wird noch einmal richtig gefeiert: Hinter der Bühne steigt ein Feuerwerk in den slowenischen Nachthimmel und im Funken- und Glitterregen verabschiedet sich die ganze Band selig grinsend von ihren Fans. Ein ganz starker Auftritt, der zeigt, daß die Band trotz ihrer moderneren musikalischen Ausrichtung immer noch die alte Kraft und Stärke auf der Bühne hat und daß man sein Publikum trotz Dauerregen problemlos mitreißen kann. Ganz, ganz groß und eines der Highlights auf dem diesjährigen Metalcamp!
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Da haben es die nachfolgenden In Extremo schwer, das noch zu toppen. Zwar sind auch die Deutschen für ihre atemberaubende Pyroshow bekannt, aber mit dem was In Flames heute aufgefahren haben können sie nicht mithalten. Zu Beginn sind die Reaktionen dann auch eher verhalten, zumal es noch immer regnet und die Songs der neuen Scheibe noch nicht so bekannt sind. Überhaupt spielt man heuer eher weniger bekanntes Material, was etwas schade ist, zumal wenn man die Band, wie ich, eigentlich nur live kennt. Trotzdem legen In Extremo eine klasse Show hin, und die Fans haben ihren ihren Spaß zu Songs wie Wind, Sängerkrieg oder Hiemali Tempore. Sänger Michael Rhein alias Das letzte Einhorn wirkt professionell, jedoch heute auch erschreckend tuckig. Da fragt man sich wirklich, was in den Mann gefahren ist. Der Rest der Band zeigt, daß er richtig Spaß an den Auftritten hat und man feiert fleißig mit den Fans, nicht ohne dabei zu beweisen, daß man seine Instrumente tadellos beherrscht. Dennoch – gegen In Flames kommt die Band einfach nicht an und so erscheint der Auftritt etwas fade, obwohl In Extremo sonst live stets ein Erlebnis sind.
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Auf die nächste Band freue ich mich schon seit Monaten. Denn obwohl Catamenia seit Jahren zu meinen Lieblingsbands gehören, habe ich es noch nie geschafft, die Band auch live zu sehen und so fiebere ich diesem Auftritt ganz besonders entgegen. Mit The Ancient startet man in den Set und ich denke sogleich: „Scheiße, was ein fieser Sound
Am Sound ändert sich auch bis zum dritten Stück Coldbound nichts und allmählich geht dem Zuschauer auf, daß der üble Sound mitnichten am Tontechniker liegt. Fassungslos starrt man auf die Bühne, läßt Lost In Bitterness über sich ergehen und kann nur noch staunen, wie man aus dem absolut genialen Song Verikansa so einen kaum identifizierbaren Soundmatsch „zaubern“ kann. Ich bin ehrlich entsetzt. Die Band demontiert sich hier dermaßen, das geht auf keine Kuhhaut. Dubioserweise feiern die ersten beiden Reihen die Band trotzdem ab. Klingen die vielleicht sogar live immer so? Was ist das überhaupt für ein Line-Up? Daß man Altsänger Olli-Jukka Mustonen während der Amerika-Tour vor die Tür gesetzt hat, ist mir ja bekannt. Aber wieso braucht man neben einem singenden Gitarristen noch einen weiteren Sänger, der nichts weiter tut als ein paar Growls beizusteuern und in der Gegend rumzustehen und –bangen? Zumindest beim W.A.S.P.-Cover I Wanna Be Somebody kommt auch jenseits der ersten beiden Reihen etwas Stimmung auf, herumreißen kann man den Auftritt damit jedoch nicht mehr. Ja, ich bin regelrecht froh, als der Auftritt mit Location: Cold endlich endet. Ich bin zutiefst enttäuscht. Nicht, daß ich wahnsinnig viel erwartet hätte, aber dieser Auftritt war einfach nur unterirdisch schlecht. Catamenia klingen wie eine Schulband, die sich selbst covert; die auf Platte wirklich sehr guten Songs sind live kaum zu erkennen, so schlecht sind sie gespielt. Die Band ist unsynchron, die Snare scheppert, der Gesang ist oft kaum zu hören bzw. zu verstehen. Einfach grauenvoll. Damit sind die Finnen für mich die ganz große (und einzige) Enttäuschung auf dem diesjährigen Metalcamp.
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Doch zum Glück gibt es gleich ein Trostpflaster hinterher. Die schottischen Piraten Alestorm machen sich nachts um 3:15 Uhr fertig zum entern. Die Befürchtungen der Mannschaft von Kapitän Chris Bowes, aufgrund der vorgerückten Stunde keine Zuschauer zu haben, erweisen sich als unbegründet. Denn die Freibeuter werden von einer vielköpfigen Meute empfangen, die nur darauf wartet, gekapert zu werden. Kaum jemand ist noch nüchtern und da kommen die besoffenen Schotten gerade recht. Mit Over The Seas startet man die Piratenparty und die Menge geht von Anfang an gut mit. Das und der liebe Alkohol, dem die Band wohl auch gut zugesprochen hat, läßt die Mannen um Sänger Chris etwas übermütig werden und so zaubert Gitarrist Tim Shaw auch schon mal während Nancy The Tavern Wench aus seiner Unterhose eine Banane hervor, die ihren Weg ins johlende Publikum findet. So ganz ist wohl nicht klar, was man da auf der Bühne eigentlich treiben soll, und so gibt es passend zum Zustand der Band einen kurzen Ausflug Richtung What Shall We Do With A Drunken Sailor, das einfach wie die Faust auf’s Auge paßt. Auf und vor der Bühne entwickelt sich allmählich ein buntes Treiben; auf der Bühne torkelt die ganze Zeit ein Unbekannter herum, der der Band mal Hochprozentiges einflößt, mal einfach mitsingt und vom Sänger als fünftes Bandmitglied vorgestellt wird. Daneben schlängeln sich auch noch zwei Damen über die Bühne, die mit den Musikern auf Tuchfühlung gehen. Im Fotograben haben sich zwei Feuerspucker eingefunden, die man im Laufe der Woche noch öfter auf dem Festivalgelände antreffen wird. Und durch das Publikum zieht sich eine fröhliche Polonäse. Die Devise Set Sail And Conquer ist offensichtlich voll aufgegangen. Bei Wenches And Mead ist die Stimmung auf ihrem Höhepunkt, der ganze Platz ist in Bewegung. Einfach herrlich! Mit Captain Morgan’s Revenge kommt man leider schon zum Schluß, die Menge will es gar nicht wahrhaben und hört nicht auf, nach einer Zugabe zu rufen. Doch die ist leider nicht möglich, und daher kommt die Band eben so auf die Bühne zurück. Man prostet den Fans zu und neben Plektren und Drumsticks finden auch die zum Papierflieger gefalteten Setlists ihren Weg ins Publikum und die beiden Feuerspucker liefern nochmal eine Extrashow. Wirklich schade, daß die Band keine Zugabe mehr spielen darf, hier wäre noch einiges gegangen. Die Schotten haben Slowenien im Sturm erobert und haben einmal mehr gezeigt, daß sie eine fantastische Liveband sind, die einfach nur Spaß macht. Ein gelungener Abschluß des Abends, der nach noch etwas Alkohol gegen 4:45 Uhr im Zelt endet.
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Bericht: Hypnos, Tyr
Photos: Tyr
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