25.01.2008 Lübeck, Treibsand:
Týr Svartsot
Daß ich bekloppt genug bin, um für ein Konzert bis nach Paris zu fahren, habe ich ja bereits bewiesen.
Hier nun der Beweis, daß ich sogar verrückt genug bin, für ein einzelnes Konzert bis nach Lübeck zu gurken. Bei einem Kartenpreis von gerade mal
9€ betragen so die Reisekosten mal schnell das 10fache des Eintrittspreises. Aber egal. Ich bin schließlich verrückt. Und
während im großen Teil Deutschlands ein wunderschöner sonniger Tag wartet, fahre ich in den trüben Norden, um mir von der
steifen Brise auf dem Weg zum Treibsand die Haare zerzausen zu lassen.
Das Treibsand ist eine gemütliche Konzertlocation mit freundlichem Personal und extrem günstigen Preisen (sowohl Eintritt als auch Getränke sind wirklich sehr billig). Das liegt vor allem daran, daß die Betreiber nichts verdienen wollen, sondern es einfach nur um den Spaß an der Freude geht.
Und Spaß erwartet uns bei der Vorband Svartsot jede Menge. Die Dänen spielen heute Abend ihren allerersten Auftritt
in Deutschland und wirken zu Beginn auch etwas nervös. Doch das legt sich ziemlich schnell, als klar wird, daß Svartsot bei
den Deutschen mehr als nur gut ankommen. Sänger Claus Gnudtzmann kann die Menge schnell für sich gewinnen und vor der Bühne
wird gebangt und gepogt, was das Zeug hält. Durch seine Ansagen stachelt der Sänger die Menge immer wieder an und die hört
gerne auf das, was man ihr sagt. Auch die Band selbst scheint wirklich Spaß zu haben und stellt mit Stewart Lewis den wohl
fröhlichsten Flötenspieler der Genres. Songs wie Berserkergang oder Gravøllet lassen das Publikum wild
herumspringen und die Rübe schütteln und sogar einige Personen, die man optisch eher dem Hip Hop zuordnen würde,
springen mitten im Moshpit herum. Für Svartsot verläuft der Abend so erfolgreich, daß das Publikum nicht eher Ruhe gibt,
als bis man für eine Zugabe wieder auf die Bühne kommt. Die Band ist sichtlich froh und stolz, daß sie so gut ankommt und
gibt nochmal ihr Bestes.
Das macht es für die danach spielenden Týr nicht gerade leicht, die Stimmung zu halten. Zumal diese noch gehandikapt
sind und heute nur zu dritt auftreten. Denn Gitarrist Terji Skibenæs sitzt dank einer Ohrinfektion und daraus resultierendem
ärztlichem Flugverbot zu Hause auf den Färöern. Sänger Heri stellt sich dann aber knallhart auf die Bühne und gibt eine
Kostprobe seiner ganz eigenen Sprache Heriesisch, indem er dem Publikum was vom Pferd, bzw. von dem Wikingersegeltörn erzählt,
auf dem sich Terji angeblich mit seinem Vater befindet. Doch angesichts der Komplexität der Týr’schen Songs fragt man sich
schon, wie die zu dritt wohl klingen mögen. Beim Opener The Edge fällt Terjis Fehlen noch nicht einmal so sehr auf,
bei Regin Smiður aber muß man das komplette Intro streichen und so beginnt der Song doch sehr abrupt. Auch bei den
Chören fehlt eindeutig Terjis Stimmlage. Man merkt der Band an, daß sie sich erst auf die neue Situation einstellen muß und
vor allem Bassist Gunnar H. Thomsen muß mit dem ein oder anderen Verspieler leben. Auch das Publikum will nicht so recht warm
werden. Oder hat es alle seine Energien schon bei Svartsot verschossen? Týr jedenfalls lösen das Problem des Zudrittseins
einfach damit, daß heute mehr Songs vom musikalisch nicht ganz so anspruchsvollen ersten Album How Far To Asgaard
gespielt werden und weniger Songs vom aktuellen Album Ragnarok. So gibt es mit The Rune, dem Standardsong
Hail To The Hammer und Sand In The Wind erstmal einen Dreierpack vom Debüt, bevor es mit Wings Of Time
den einzigen Song von der Ragnarok gibt. Die Songs auf diesem Album sind eben einfach zu komplex, um mit nur einer
Gitarre zu funktionieren. Dieses Problem hat man aber durch das vermehrte Spielen älterer Songs ganz elegant gelöst, so daß
wir nun in den Genuß von Stücken kommen, die zumindest ich noch nie live gesehen habe, wie zum Beispiel das in der Heimat
auf den Färöern sehr populäre Ormurin Langi. Nach Ólavur Riddararós ist aber leider schon Schluß. Trotz der
recht verhaltenen Publikumsreaktionen wird nach einer Zugabe verlangt, die es mit The Wild Rover und Ramund Hin
Unge dann auch gibt. Bei diesen beiden Stücken geht das Publikum auch endlich etwas mehr aus sich heraus.
Das war ganz sicher nicht der beste Auftritt von Týr, aber angesichts der widrigen Umstände mutig und geschickt gelöst.
Andere Bands hätten den Auftritt einfach abgesagt, doch nicht so Týr. O-Ton Gunnar: „Wir sagen nie eine Show ab. Das nächste
Mal lassen wir auch noch Heri zu Hause und spielen nur mit Bass und Drums. Das wird sicher genial.“
Es war also im Großen und Ganzen wieder mal ein gelungener Konzertabend mit einer wirklich guten Vorband und einer etwas anderen Darbietung von Týr, für die sich die weite Anreise auf jeden Fall gelohnt hat. Und damit der Weg nicht nur für das Konzert war, gibt es am nächsten Tag noch eine ausgiebige Sightseeing-Tour durch Lübeck, das eine wirklich wunderschöne Stadt ist. Trotz starkem Wind und Dauerregen.
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