20.11.2007 Saarbrücken, Roxy:
Insomnium Swallow the Sun Amorphis
Knapp vor einem Monat waren wir das letzte Mal im Roxy, um dort Pain zu feiern. Damals waren wir noch überrascht,
wie wenig los war, und befürchteten, dass die Konzertschwemme zur Zeit vielleicht zur Übersättigung geführt hat.
Aber am 20. November wurden wir eines besseren belehrt. Um ca. 1950 hatten wir schon echte Probleme in der Nähe
einen Parkplatz zu finden und im Club angekommen wurde dann auch schnell klar, warum. Das Finnenpackage der
Sonderklasse hat offensichtlich ziemlich viele Fans auf den Plan gerufen.
Den Beginn, den wir fast verpasst hätten, machten Insomnium, die sich scheinbar in den Kopf gesetzt haben den
Thron des Melodic Death Metals anzugreifen, der von vielen skandinavischen Größen so schmählich verlassen wurde. Ganz
ohne Elektroeffekte und cleanen Gesang konzentrieren sich die Finnen ganz auf einen melodischen Death Metal Sound, wie
er in den Jahren leider immer mehr vernachlässigt wurde. Den paar Kilometern Richtung Norden ist es vielleicht zu
verdanken, dass sich auch ein gewisses Maß Doom mit in den Sound gemischt hat. Leicht melancholisch und verdammt
melodiös ging es also los mit dem doomigen Opener The Gale vom aktuellen Album Above the Weeping World,
der genau wie auf dem Album, von Mortal Share gefolgt wurde. Damit standen keine Fragen mehr offen, nur der
ein oder andere Mund der Zuschauer, denn trotz ihrer großartigen Werke sind Insomnium immer noch relativ unbekannt.
Da aber auch die Fanschaft von Amorphis mit ähnlichem Material ausreichend Erfahrung hat, war es klar, dass auch die
finnischen Newcomer mit offenen Armen und Ohren empfangen wurden. Noch mehr, man könnte fast sagen, Insomnium sind
sicherlich für viele eine echte Bereicherung, da sich Amorphis mit dem neuen Material zwar wieder eine gewisse Härte
angeeignet haben, der Abschied vom Death Metal ist allerdings nicht zu leugnen.
Ebenso melodisch geht es gleich weiter mit dem aktuellen Album, passend zur Songreihenfolge auf dem Album mit Drawn
to Black, dass wieder zeigt, wie vorzüglich Insomnium Melancholie und Druck zu einem verdammten Ohrwurm von Melodie
kombinieren können. Das folgende Set entsprang bis auf 2 Ausnahmen komplett dem aktuellen Album. Die Ausnahmen
verdeutlichen allerdings sehr schön die Entwicklung von Insomnium, denn bei The Elder vom 2002er Werk In the
halls of awaiting könnte man noch fast meinen, man hätte die jungen In Flames vor sich stehen. 2004 war
der Sound dann schon eigenständiger, was der Titeltrack von Since The Day It All Came Down bewies, bis Insomnium
2006 mit Above the Weeping World wirklich einen persönlichen Meilenstein veröffentlicht haben, der es dem nächsten
Album schwer machen wird, daran anzuknüpfen.
Nun standen Amorphis aber einstmals vor allem für die Kombination von Doom und Death Metal, die sie auf Tales from
the Thousand Lakes zu einem Manifest vereinten, dass bis heute Maßstäbe setzt. Der Anteil Melancholie ließ sich
zwar auch bei Insomnium nicht verleugnen, was wohl in der Natur von Menschen liegt, die ein halbes Jahr lang in der
andauernden Nacht leben müssen, aber mit Swallow the Sun stand als zweite Band vermutlich der herausragendste
Vertreter des Death / Doom Genres auf der Bühne, den es zur Zeit gibt.
Gänzlich abseits von dubiosen Entwicklungen wie Frauengesängen oder anderem Schnick-Schnack klingen Swallow the
Sun 2007 so, wie es Amorphis vielleicht vor 10 Jahren so ungefähr taten. Die Nische, die durch die Weiterentwicklung
der alten Genrevertreter wie z.B. Anathema oder Katatonia geschaffen wurde, fand mit Swallow the Sun über die letzten
Jahre definitiv einen äußerst dankbaren Nachmieter, der auch von den Fans dankbar aufgenommen wurde, die sich von Gegrunze
und einem gewissen Maß an Härte einfach nicht trennen wollten. Kein Wunder also, dass die Finnen dieses Jahr viel
Gelegenheit hatten, um ihr neuestes Werk Hope der Öffentlichkeit zu präsentieren, das dritte insgesamt. Der Titeltrack
durfte dann auch gleich als Opener für den Auftritt im Roxy herhalten. Das Set von Swallow the Sun erstreckte sich
ganz im Gegensatz zu Insomnium gleichmäßig über alle 3 Veröffentlichungen, das aber ganz zu Recht, denn bereits mit dem
Debütalbum The Morning Never Came bewiesen die Finne eine erstaunliche Eigenständigkeit und Stärke. Der wohl berühmteste
und prägendste Song Swallow, der dieses Jahr jeden der 4 Auftritte beschloss, die ich von den Finnen sehen durfte,
befand sich sogar bereits auf der Demo EP und sollte auch dieses Mal den absoluten Höhepunkt darstellen.
Dem Publikum merkte man allerdings schnell an, dass die Energie, die Insomnium zuvor durch die Boxen hatten Strömen lassen,
jetzt bei den schleppenden Doom Songs verpuffte, was vielen nicht wirklich gefiel. Dass und die Tatsache, dass auch die
Musiker selber sich, wie üblich, nicht wirklich bewegten, sorgte dafür, dass zumindest die Tanzfläche sich deutlich leerte
und auch die Menge vor der Bühne dünner wurde, auch wenn man gerade den härteren Songs wie z.B. These Hours of Despair
ein gewisses Maß an Härte nicht absprechen kann. Headbangen, Gröhlen und Pogen passt da dennoch nicht.
Aber auch wenn es in der Natur des Doom Metal liegt, dass er hervorragend das relative Empfinden von Zeit veranschaulichen kann,
so gab es auch für Swallow the Sun irgendwann ein Ende und die heiß erwarteten Headliner betraten die Bühne:Amorphis.
Dass Amorphis seit der Trennung vom langjährigen Sänger Pasi gemeinsam mit dem Beitritt seines Nachfolgers Tomi Joutsen
auch noch eine gehörige Portion Schwung mitbekommen haben, haben wir inzwischen schon häufig berichtet und sollte an niemandem
wirklich vorrüber gegangen sein, der mit dem Namen Amorphis überhaupt etwas verbindet. Dass dieser Schwung allerdings ausreicht
ein Jahr nach einem neuen Album und einer exzessiven Tour mit Silent Waters gleich wieder ein neues Album zu veröffentlichen und auf
einer Tour zu präsentieren, damit hätte wohl niemand wirklich gerechnet. Wer übrigens das Cover von Silent Waters bereits
erschreckend fand (Review hier), der dürfte von
den angebotenen Tour-Shirts noch deutlicher abgestoßen worden sein. Egal ob Girlies oder T-Shirts, rosa-rote Schwäne und Ranken so
weit das Auge reicht.
Wie gut, dass man als Metaler so unglaublich tolerant und offen gegenüber neuen Entwicklungen ist, sonst wäre einem womöglich
entgangen, dass Silent Waters alles andere als Weichspülgothic ist. Von der Aufbereitung auf der Bühne mal ganz abgsehen,
denn da kommen nicht nur die neuen Songs verdammt hart rüber, sondern bilden überhaupt nur die Hälfte des Sets. Die andere entstammt
tatsächlich den Ur-Werken, die Amorphis einstmals berühmt gemacht haben.
Die Auswahl der Songs war wirklich sehr weit gefächert,
bis auf Tuonela und Far from the sun war von jedem Album etwas dabei. Das wurde allerdings erst nach den ersten
Liedern klar, bei denen man noch hätte meinen können, Tomi singt live nur, was auch auf dem Album seinen Stimmbändern entspringt.
Den Anfang machte 'Two Moons', der ebenfalls das letzte Album Eclipse einläutete. Das folgende 'A Servant' vom neuen
Album war rockig und hart genug, um die Stimmung anzuheizen, inclusive Gegrunze und
einer Amorphis-typischen Ohrwurmmelodie. Nach dem dritten, etwas ruhigeren, 'The Smoke' von Eclipse rastete die Menge
dann total aus, denn es erklang das unverkennbare Motiv von 'On Rich and Poor', dass uns sofort 10 Jahre zu Zeiten
von Elegy zurückversetzte! Und um die Begeisterung gar nicht erst abreißen zu lassen ging es gemeinsam mit Swallow the Sun Sänger
Miko direkt noch heftiger weiter mit
'Drowned Maid' vom Meisterwerk Tales from the Thousand Lakes und die Menge tobte! Und wie sich der Song zum Ende hin
zu einem furiosen Finale hin steigert, so tat es das auch die Begeisterung und die Menge der Fans, die kräftig ihre langen Haare
schüttelten, wie es früher noch viel mehr üblich war. Kein schlechter Zeitpunkt, um wieder etwas Ruhe reinzubringen und um mit
'Her Alone' einen sanften Song des neuen Albums zu präsentieren. So ging das Programm dann mit 'Against Widows' und
dem Titeltrack des neuen Albums 'Silent Waters' schön durchmischt weiter, bis unsere Ohren etwas vollkommen unerwartetes
zu hören bekamen: 'Karelia', das Intro des brachialen Erstwerkes 'The Karelian Isthmus' von 1992! Nun gut, der erste
Gedanke lag nahe. Wo sie schon nichts vom Album spielen, da lassen sie wenigstens das Intro kurz einspielen, damit wir an das
Debüt erinnert werden. Aber dem war nicht so! Der nächste Song hieß 'Sign from the North Side' und bewies, dass Amorphis
mitnichten ihre Wurzeln vergessen haben oder sie verleugnen!
Als ob danach mal wieder Beruhigung nötig wäre folgte 'Alone' vom
wohl ruhigsten der angespielten Alben Am Universe, der dem Nacken etwas Erholung bot und dafür zum Tanzen einlud. Mit
'My Kantele', 'Perkele (The God of Fire)' und 'The Castaway' ging die wilde Mischung dann weiter bis zum
vermeintlichen Ende des Konzertes. Nach einer kurzen Pause kamen die Finnen aber wieder auf die Bühne, um, von elektronischem
Geblubber eingeleitet, mit 'Towards and against' einen weiteren Song des neuen Albums vorzustellen, bei dem Tomi Joutsen
sein gesamtes stimmliches Spektrum unter Beweis stellen konnte. Ebenfalls recht ruhig folgte der wohl bekannteste Song des letzten Albums
'House of Sleep', dessen Video sogar auf einigen Musiksender lief und in dem Tomi damals das erste Mal mit seiner Stimme
gepunktet hatte, wenn auch Vielen der leichte Stich in Richtung Gothic Sorgen bereitete. Dementsprechend war auch das Publikum
gespalten in nachdenkliche Blicke von den hinteren Rängen und enthusiastisches Mitsingen vor der Bühne. Am Ende wurden aber wieder
alle Anwesenden vereint mit dem Song schlechthin: 'Black Winter Day', dem perfekten Abschluß für ein fantastisches Konzert.
Für knappe 15Euro bot dieses Konzert wirklich ein exquisites Paket in Sachen Düster Metal, dass allen Ansprüchen der Anwesenden
gerecht geworden sein sollte! Altes und Neues von den alten Helden Amorphis und finnischer Nachwuchs sowohl für die Anhänger
des schleppenden Dooms als auch für die Fans des Melodic Death Metal.
|